Mittellegigrat

Geschichte Mittellegigrat

Erster Aufstieg über den Mittellegigrat vor hundert Jahren (1921)

Lange Erschliessungsgeschichte

Vom ersten Besteigungsversuch bis zum erfolgreichen ersten Aufstieg vor hundert Jahren vergingen 47 Jahre. Vielleicht noch erstaunlicher ist, dass es nach der Eröffnung der Station Eismeer der Jungfraubahn im Jahre 1905 noch immer 16 Jahre brauchte, bis der erste Aufstieg gelang. War doch der Grat von der Station Eismeer aus vergleichsweise einfach erreichbar.

Die Fakten zur Erschliessungsgeschichte:

6. Juli 1874 J.W. und F.C Hartley mit den Bergführern Peter Rubi und Peter Kaufmann, Grindelwald; von Alpiglen auf den Grat und auf der andern Seite hinunter auf den Challigletscher und nach Grindelwald (14 Stunden)

1878 P.W. Thomas mit Bergführer J.M Biener; beim Versuch von der Fiescherfirnseite her den Grat erreicht

Juli 1879 Die beiden Bergführer Peter Rubi und Peter Baumann bis zum kleinen Gendarm

August 1879 J. Oakley Maund und H. Seymour Hoare; von der Eigerhöhle aus, weniger weit als Thomas ein Jahr vorher

31. Juli 1881 J. Oakley Maund mit den Bergführern J. Baumann, Joh. Jaun, Andr. Maurer, Emile Rey; von der Eigerhöhle bis auf einen überhängenden Gendarm (heute kurzes Seil). Bisher weitester Vorstoss.

28. Juli bis 1. August 1885 M. Kuffner mit A. Kalbermatter und einem weiteren Träger und den beiden Bergführern Alexander Burgener und J.M Biener

Am 29. Juli von der Eigerhöhle bis auf den grossen Gendarm vor dem Hick. Entschluss, die Scharte zwischen Gendarm und grossem Aufschwung vom Gipfel her zu erreichen. Rückkehr nach Grindelwald.

Am 30. Juli mit passender Ausrüstung zur Kleinen Scheidegg.

Am 31. Juli von der Kleinen Scheidegg den Eiger überschritten und damit erste Begehung des Mittellegigrates im Abstieg. Ohne Decken und Proviant erneutes Biwak in der Eigerhöhle und Rückkehr nach Grindelwald am 1. August.

1885 W.W.Graham und Emil Boss mit Bergführer U. Kaufmann (Westfuss des Gendarms)

1885 Versuch von zwei Bergfüher-Gruppen: Chr. Jossi, Vater, Hans Brawand, Chr. Bohren, Peter Bernet vom Gipfel her Hans Almer. Chr. Kaufmann u.a. von unten bis zum Gendarm einander entgegen, so dass sie miteinander sprechen konnten.

1894 Claude A. MacDonald mit den Bergführern Christian Jossi und Peter Bernet nach dem gescheiterten Mittellegi-Aufstieg direkter Abstieg nach Alpiglen (unterer Teil der späteren Lauperroute)

29. Juni 1904 Gustav Hasler und die Bergführer Fritz Amatter und Christian Jossi wiederholen den Abstieg über den Mittellegigrat von 1885.

September 1904 Gustav Hasler und Bergführer Fritz Amatter (Mittellegi Biwakplatz)

Juli 1912 J. Grande mit den Bergführern Fritz Amatter, F. Kaumann und P. Bernet (Süd-Westfuss des Gendarms)

Juli 1912 Die Bergführer E. Steuri und A. (?) Steuri (Süd-Westfuss des Gendarms)

um den 20. Juli 1921 Die „Führerlosen“ Hans Pfann aus Deutschland und Alfred Horeschowsky aus Österreich kehren vor dem grossen Gendarm wegen „unheimlichen klimatischen Verhältnissen“ und „Gewitterschwühle“ um. Drei Tage später besteigen sie den Eiger über den Südgrat. Ein Gewitter hindert die beiden am geplanten dritten Abstieg über den Mittellegigrat.

Quellen: Gottlieb Studer; Über Eis und Schnee; 2. Auflage 1896 und Erstes Mittellegihüttenbuch (B. Tännler)

Der erste Aufstieg vom 9. bis 11. September 1921

1919 kam der fünfunzwanzigjährige Yuko Maki nach Grindelwald. Beim vier Jahre jüngeren, aber einen Kopf grösseren Primarlehrer und Bergbauer Samuel Brawand nahm der wirblige Japaner Deutschunterricht. Schon ein Jahr später – Samuel Brawand hatte unterdessen das Bergfüherpatent erworben – bestiegen die beiden zusammen die Jungfrau. Später im Sommer 1920 kamen noch das Finsteraarhorn und das Schreckhorn dazu. Das körperlich ungleiche Paar – Yuko Maki hatte die Schuhnummer 36, Samuel Brawand 45 – harmonierte gut. 

Im wettermässig eher durchzogenen Sommer 1921 versuchten die beiden unterstützt von Fritz Steuri ihr Glück in Zermatt, wo immerhin die Besteigung des Matterhorns und der Dufourspitze und auf dem Heimweg noch das Aletschhorn gelang. Zurück in Grindelwald erkundigte sich Yuko Maki bei seinen Führern, ob es noch etwas Neues in den Alpen gebe, eine Route, die noch nicht erstiegen sei. 

In seinen „Erinnerungen an Yuko Maki“ schrieb Samuel Brawand später:

Das gab es damals noch, und für uns Grindelwalder stand als wichtigstes Problem die Besteigung des Eigers über den Mittellegigrat zu Buch. Im Abstieg war dieser Grat längst begangen worden, aber bisher waren zahlreiche Aufstiegsversuche bedeutender Alpinisten fehlgeschlagen... Wir aber wollten gewinnen. Und dafür konnte am besten Fritz Amatter helfen, hatte er doch den zweiten Abstieg über den Grat hinter sich.

Das Unternehmen gelang. Am 10. September 1921 abends sieben Uhr standen wir vier auf dem Gipfel des Eigers. Fritz Amatter und Fritz Steuri hatten einander im Überwinden der zahlreichen Schwierigkeiten unterstützt, und ich hatte Herrn Maki nachgeführt.

Der Abstieg nahm über sieben Stunden in Anspruch, da die vier Bergsteiger mit nur einer Laterne auskommen mussten und nicht immer den einfachsten Weg fanden. Um 2.30 Uhr trafen sie am Eigergletscher ein.

Samual Brawand weiter:

Wenn ich mich an unsern triumphalen Einzug am Sonntag, den 11. September in Grindelwald erinnere, kommt mir die Fotografie in den Sinn, auf welcher Herr Maki auf den Schultern zweier Engländer getragen wird. Sein Gesicht zeigt deutlich, wie peinlich ihm die wohlgemeinte Ehrung war. Dem bescheidenen Manne widerstrebte es, öffentlich gefeiert zu werden. Dabei stieg er in unsrer Achtung viel höher, als ihn die begeisterten Engländer zu heben vermochten.

Herr Maki entlöhnte uns fürstlich und spendete dem Führerverein zehntausend Franken zum Bau einer Hütte auf der Mittellegi. Im Herbst 1924 weihten wir sie ein.

Quellen: Samuel Brawand: „Der Eiger – Mittellegigrat und Hörnli“; Artikel in der Zeitschrift „Die Alpen“ 1928 und „Erinnerungen an Yuko Maki“ 1989

Weitere erwähnenswerte Begehungen des Mittellegigrates nach 1921

12. bis 16. September 1926 Anbringen von Fixseilen am Mittellegigrat

18. September 1926  Zweite Begehung und erster Aufstieg durch eine Frau. Klara Amatter und B. Tännler mit Fritz Kaufmann und Peter Inäbnit

23. September 1926 Dritte Begehung des Mittellegigrates durch Yuko Maki, Hatiro Watanabe, Saburo Matsukata mit Fritz Amatter, Fritz Steuri, Emil Steuri und Samuel Brawand

6. August 1927 Samitaro Uramatsu, Saburo Matsukata mit Emil Steuri und Samuel Brawand begehen erstmals den unteren Teil des Mittellegigrates von der Ostegg über die Hörnli

16. bis 18. September 1929 Erste Gesamtüberschreitung vom Südlichen Eigerjoch über den Südgrat mit Abstieg über den ganzen Mittellegigrat Emil Steuri und Adolf Rubi mit Lina Frida und Martha Gsteiger

12. Februar 1934 Erste Winterbegehung durch Fritz Amatter und Fritz Kaufmann

15. Juli 1935 Erste Gesamtüberschreitung Mittellegihütte – Eiger (Mittellegigrat- Südgrat) – Mönch (Ostgrat – Westgrat) – Jungfrau (Ostgrat – Rottal) – Stechelberg Adolf Rubi und Hans Schlunegger in 16 Std. 15 Min.

Quelle: Erstes Mittellegihüttenbuch 1924 bis 1972